Für Patienten
2. Patientenkongress Nord in Lübeck am Samstag, 28. Juni 2025
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Was hat mir gutgetan?
Patientinnen und Patienten berichten
Interview mit Christine Asmussen (54 Jahre)
Ein ganzheitlicher Blick auf die Brustkrebspatientin, die gerade aus der Akutbehandlung entlassen wurde – das liegt mir bei der Nachsorge besonders am Herzen. Unterstützungsangebote gibt es viele, die vier wichtigsten möchte ich hier vorstellen:
Zum einen ist das Bewegung bzw. Sport, zweitens eine Ernährungsberatung, drittens psychoonkologische Betreuung und als viertes die evidenzbasierte Komplementärmedizin.
Fangen wir mit Sport und Bewegung an, eine der tragenden Säulen. Deswegen sollte bei einer professionellen Sportberatung die jeweilige körperliche Verfassung der Patientin betrachtet werden. Hieraus lassen sich dann konkrete Empfehlungen ableiten, welche Art der Bewegung zur Heilung beitragen kann. Für mich als ehemalige Krebspatientin ist es entscheidend, mir die entsprechenden Informationen nicht aus Broschüren zusammensuchen zu müssen, sondern dass sich mir ein Experte oder eine Expertin zuwendet, der oder die mein individuelles Befinden prüft und beispielsweise sagt: „Mit Ihrem entzündeten Knie wäre es nicht sinnvoll, Nordic Walking zu machen. Aber regelmäßiges Schwimmen wäre gut für Sie.“ Das ist dann auch eine Ermutigung, sich zu überwinden und sich trotz Einschränkungen und Schmerzen zu bewegen – und eben zu wissen: Das, was ich mir als Bewegung ausgesucht habe, das schadet mir nicht. Damit ist der Anfang gemacht. Die Bewegungs- und Sportangebote selbst finden sich zum Beispiel über entsprechende Netzwerke, die es bundesweit gibt, und auch in Flyern, die Sportangebote im Umkreis auflisten.
Als zweite Säule der Brustkrebsnachsorge empfehle ich eine professionelle Ernährungsberatung. Auch hier finden sich entsprechende Empfehlungen im Internet, in Broschüren und Flyern, doch haben viele Patientinnen nach der Entlassung weder die Kraft noch die Zeit, die Fülle an Material zu sichten. Unklar bleibt häufig auch, ob die ein oder andere Empfehlung im eigenen Fall überhaupt angebracht ist. Das schürt Unsicherheit.
Während einer kompetenten Ernährungsberatung hingegen erhält man individuelle Empfehlungen, die akute Beschwerden heilen helfen oder insgesamt nach belastenden Behandlungen zu einer Verbesserung der Gesundheit und Lebensqualität führen können. Die Bandbreite reicht von „Nehmen Sie mehr Protein zu sich“ bis hin zu „Lassen Sie mal ein paar Wochen den Zucker weg“. Wichtig sind hier Ratschläge, die genau auf die jeweilige Patientin und ihre Problematik zugeschnitten sind. Eine gute Ernährungsberatung gibt auch individualisierte Listen und Ernährungspläne heraus, die den Alltag zu vereinfachen helfen.
Dritter hilfreicher Punkt in der Nachsorge von uns Brustkrebspatientinnen ist eine psychoonkologische Betreuung. Während der stationären Akuttherapie ist das ja wunderbar geregelt, man bekommt direkt nach einer Operation einen Termin angeboten – die Psychoonkologinnen kamen bei mir ans Krankenbett. Doch ist man aus dem Krankenhaus heraus, fängt bei den meisten Frauen die Verarbeitung des Erlebten erst wirklich an. Dann ist es ratsam, sich professionelle Unterstützung zu suchen, damit auch die Seele heilen und wieder Zuversicht schöpfen kann. Wäre da nur nicht die aktuelle Lage! Patientinnen mit Bedarf nach psychoonkologischer Beratung haben exakt das gleiche Problem wie alle anderen Menschen auf Therapeutensuche: Über Monate gibt es kaum freie Plätze.
Als vierte Säule sehe ich die evidenzbasierte Komplementärmedizin. Hier geht es um Wirkstoffe und medizinische Interventionen, die beispielsweise unangenehme oder belastende Nebenwirkungen und Folgen der Therapien lindern können. Als Patientin stehe ich immer wieder ratlos vor dem riesigen Angebot an Informationen – wie soll ich als Mensch, der gerade seinen eigenen Körper und dessen Reaktionen nicht mehr versteht, einschätzen und beurteilen können, was für mich gerade richtig und heilsam ist?
In einer komplementärmedizinischen Sprechstunde gehen Medizinerinnen und Mediziner auf die konkrete Problematik der einzelnen Patientin ein und schauen nach möglichen Ursachen. Ich selbst habe nach der Akutbehandlung lange unter Gelenkentzündungen gelitten, deren Ursprung unklar war. Der Komplementärmediziner empfahl mir verschiedene Öle, mit denen ich die Gelenke behandelt habe, und evidenzbasiert auch Nahrungsergänzungsmittel gegen bestimmte Mangelzustände. Beides unterstützte meinen Heilungsprozess spürbar.
Kehren wir Brustkrebspatientinnen nach der Akutbehandlung wieder in unser Leben zurück, sind die allermeisten von uns mit zum Teil drastischen Einschränkungen und Folgen der Behandlung konfrontiert. Diese sind zum Teil auch der Preis fürs Überleben, zum Beispiel Ödeme, Fatigue oder Polyneuropathie, Gelenkentzündungen, Gewichtszunahme oder Konzentrationsstörungen. Momentan werden wir Frauen nach Abschluss der eigentlichen Krebsbehandlung in die hausärztlichen Praxen überwiesen. Diese haben aber natürlich nicht die Expertise, die das behandelnde Brustzentrum hatte. Daher beginnt häufig eine Odyssee von Facharzt zu Fachärztin, Untersuchung reiht sich an Untersuchung, ohne dass sich ein schlüssiges Bild ergibt, geschweige denn, dass es uns Patientinnen besser gehen würde.
Für jede Nebenwirkung, jede gesundheitliche Einschränkung eine eigene Facharztpraxis aufsuchen müssen, kostet nicht nur Kraft und Zeit, sondern verursacht hohe Kosten und verliert vor allem uns Patientinnen aus einem ganzheitlichen Blick. Dass ein Orthopäde immer aus der eigenen Warte auf die Problematik schaut, liegt auf der Hand; meist hat er keine Erfahrung mit Nebenwirkungen einer Krebsbehandlung. Dann wird er ein Rezidiv ausschließen wollen, ehe er zum Neurologen überweist, monatelange Wartezeit für jeden Termin inclusive.
Mein großer, kühner Traum – „I have a dream“ – sind daher Nachsorgezentren an den Brustzentren, an denen Sprechstunden für das „Leben nach Krebs“ angeboten werden. So hätten wir eine zentrale Anlaufstelle, an der sich sämtliche Disziplinen bündeln, einen Ort, an dem Experten Zugriff auf unsere individuelle Krankheitsgeschichte und den jeweiligen Behandlungsverlauf haben, wo ganzheitlich und vernetzt gedacht und jede Frau entsprechend in den Blick genommen und behandelt wird.
Ich träume also von einer Sprechstunde mit Ärztinnen und Ärzten, die Zugriff auf meine Fallgeschichte haben, die genau wissen, welches Medikament ich wann und in welcher Kombination erhalten habe. Die mit professionellem Überblick das Gesamtbild betrachten können und dann vielleicht etwas sagen wie: „Liebe Frau Asmussen, der Plan für Sie wäre, dass Sie sich moderat bewegen und sich so und so antiinflammatorisch ernähren. Gegen die Konzentrationsstörungen verschreiben wir Ihnen XY und gegen die Muskelkrämpfe kann das und das helfen. Falls Sie darüber hinaus noch etwas für ihre Heilung tun wollen, könnte Ihnen folgende evidenzbasierte, gut erforschte Behandlung aus der Komplementärmedizin helfen …“
Ich wünsche mir also zum einen eine multiprofessionelle Bewertung und Linderung der aktuellen Einschränkungen nach der Krebsbehandlung und zum anderen einen Blick in Richtung Heilung und eine gesunde Zukunft. Patientinnen hätten so konkrete, aufeinander abgestimmte Handlungsoptionen, die sie anschließend selbstständig umsetzen können. Noch liegt eine solche Nachsorgesprechstunde im Bereich der Utopie. Letztendlich ist sie eine Frage der Finanzierung, hat also politische Dimensionen, aber: „I have a dream …“
Was mir gutgetan hat – Mein persönlicher Tipp
Meditation hat mir nach der Akutbehandlung sehr geholfen. Damals begann unmittelbar die Corona-Zeit, ich habe daher Onlinekurse in MBSR gemacht. Seitdem ist das Meditieren ein wichtiger Pfeiler in meinem Leben. Es hilft mir täglich, zur Ruhe zu kommen und meine Gedanken zu ordnen. Das Meditieren ist nun der Raum, auch die neuen Ängste rund um die eigene Gesundheit und Zukunft anzuschauen und auszuhalten. Wir wissen ja um die Gefahren von Rezidiven, von möglichen Schäden, zum Beispiel am kardiovaskulären System, und kennen unsere neuen Einschränkungen nur zu gut. Meditation hilft mir nun dabei, besser damit umzugehen
Vor der Erkrankung bin ich mein Leben lang 20 Kilometer in der Woche gelaufen, das geht nicht mehr. Nun muss ich – angepasst an meine neuen und sich auch weiter wandelnden Einschränkungen andere Möglichkeiten der Bewegung finden. Meditation hilft auch hier, den Mut nicht zu verlieren. Es ist wichtig, sich immer wieder klarzumachen, dass der Körper durch die Behandlung extrem unter Druck ist, dass er aber auch heilen will.
Und wir Überlebenden sind in der Nachspielzeit unseres Lebens und das darf leicht und schön sein. Auch wenn der Alltag mich längst wieder fest im Griff hat, bin ich jeden Tag dankbar, dass ich wieder zurück in meinem Leben bin – wenn auch verändert. Ich schiebe nichts mehr auf, genieße meine Familie, Freundschaften und meine sehr erfüllende Arbeit als Lehrerin. Und ich musiziere wieder ganz regelmäßig – dazu habe ich mir nie die Zeit genommen und nun gibt es keine Ausreden mehr…