Hochdosierte Therapie mit Methotrexat ist ein wesentlicher Baustein moderner onkologischer Therapien, auch bei der Behandlung der akuten lymphoblastischen Leukämie (ALL) im Kindesalter.

Unser Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, genetische Einflussgrößen zu bestimmen, die zur Variabilität der Methotrexatkonzentrationen bei ALL Patienten beitragen. Zu diesem Zweck wurden vor allem Polymorphismen im Gen des Arzneistofftransporters ABCC2 (cMOAT, MRP2) untersucht. Dieser Transporter ist für den Auswärtstransport von Methotrexat aus Zellen verantwortlich. Der Transporter wird sowohl in der Leber (canalicular multiorganic anion transporter = cMOAT) als auch in Darm und Tubuluszellen der Niere exprimiert.

Der in unserer Untersuchung gefundene C-24T Polymorphismus im ABCC2-Gen ist für die Methotrexatkinetik von wesentlicher Bedeutung. Aufgrund der geringen Gruppengröße ist trotz der relativ klaren p-Werte für den Haupteffekt von einem Pilot-Charakter der Studie auszugehen.

Es ist vorgesehen, die Untersuchung auf eine grössere Patientenzahl mit Hilfe zweier Studienzentren (ALL-BFM-Studie, Kiel, und CoALL-Studie, Hamburg) auszudehnen. Bislang liegen zu dem beschriebenen Polymorphismus noch keine klaren funktionellen Daten hinsichtlich der transkriptionellen Aktivität oder der mRNA-Halbwertszeit vor.

Diese Untersuchungen sind die ersten, die einen Einfluss von genetischen Polymorphismen in Arzneistofftransportern auf die Pharmakokinetik von MTX bei pädiatrischen Patienten beschreiben.

In den grundlagenorientierten klinischen Studien untersuchen wir die Entstehungsmechanismen akuter Leukämien nach antineoplastischer Therapie im Kindes- oder Jugendalter.

Die Therapie-induzierten akuten myeloischen Leukämien (t-AML) sind nach den Hirntumoren die häufigsten Zweitmalignome nach antineoplastischer Therapie im Kindes- oder Jugendalter.

In ca. 50% der t-AMLs wird zytogenetisch die Translokation t(9;11)(p22;q23) nachgewiesen. An dieser Translokation sind das „mixed lineage leukemia“ Gen (MLL oder ALL-1-Gen) auf Chromosom 11 (11q23) und das ALL-1-Fusionsgen auf Chromosom 9 (AF9 Gen, 9p22) beteiligt. Das MLL-AF9 Fusionsgen beeinflußt die hämatopoetische Stammzellentwicklung und fördert die Leukämie-Entstehung.

Die Ursache der Bruchpunktinduktion bei der t-AML ist bislang nicht vollständig geklärt. Es gibt allerdings Hinweise für eine Mitbeteiligung der Topoisomerase II Bindungsstelle. Die Topoisomerase II induziert im Rahmen der DNA-Replikation einen DNA-Doppelstrangbruch, der von ihr selbst wieder behoben wird. Topoisomerase II Inhibitoren blockieren diesen Reparaturmechanismus. Die Translokationsbruchpunkte liegen im MLL-Gen in einem 8 kb großen Bereich, einer sog. Bruchpunkt-Cluster-Region (BCR).

Im AF9-Gen gibt es ebenfalls Hinweise auf Bereiche, in denen gehäuft die Translokationsbrüche auftreten. Jedoch wurden die Bruchpunkte hier bislang vor allem auf RNA bzw. cDNA Ebene nachgewiesen.

Ziel der Grundlagen-orientierten klinischen Untersuchungen war es, nicht auf RNA-, sondern auf DNA-Ebene den Bruchpunkt-überspannenden DNA-Abschnitt bei 11 Patienten mit einer t(9;11) positiven Leukämie zu amplifizieren und zu sequenzieren, um die Fusionsstelle zu identifizieren und Informationen über den Mechanismus der Translokationsentstehung zu erhalten.

Wir untersuchten die DNA von 11 Patienten mit zytogenetisch bekannter Translokation t(9;11). Dies waren die Proben, die zu diesem Zeitpunkt bei den Therapiestudienleitungen verfügbar waren. 5 Patienten waren an einer t-AML erkrankt. Diese hatten zuvor eine akute lymphoblastische Leukämie (ALL), ein Osteosarkom, ein Morbus Hodgkin oder ein Rhabdomyosarkom überlebt. 3 Patienten litten an einer de novo AML, 2 an einer de novo ALL und ein Patient an einem ALL-Rezidiv.

Außerdem untersuchten wir zwei t(9;11) positive Zellinien. Mit Hilfe einer sog. „multiplex nested long range PCR“, wurde das Bruchpunkt-überspannende DNASegment amplifiziert und anschließend sequenziert. So konnten die Bruchpunkte auf genomischer Ebene lokalisiert werden.

Bei allen untersuchten Proben lagen die Bruchpunkte in der bekannten BCR des MLL-Gens. In 5 von 13 Proben lagen die Bruchpunkte allerdings außerhalb der bisher beschriebenen BCR des AF9-Gens. Alle Proben der 5 Patienten mit einer t-AML zeigten einen identischen Bruchpunkt im MLLGen, der direkt vor der Topoisomerase II Bindungsstelle liegt.

In der Tat erhielten alle 5 Patienten während der Therapie ihrer Ersterkrankung den Topoisomerase II Inhibitor Adriamycin. Zwei der 5 Patienten mit einer t-AML erkrankten zuvor an einer ALL.

Im Rahmen der ALL Therapie werden in regelmäßigen Abständen Knochenmarkpunktionen zur Remissionsbeurteilung durchgeführt. Diese Knochenmarkproben untersuchten wir retrospektiv auf das erstmalige Auftreten eines t(9;11)-positiven Zellklons. Beide Patienten waren bei der Diagnose der ALL t(9;11)-negativ. Nach 13 bzw. 18 Monaten waren die ersten t(9;11)-positiven Zellen nachweisbar. Dies ist 6 bzw. 12 Monate früher als die Diagnosestellung der t-AML
mit Hilfe herkömmlicher klinischer und laborchemischer Parameter