Aufgrund eigener und der Ergebnisse anderer Gruppen, wurde in den vergangenen zwei Jahrzehnten versucht, insbesondere bei Kindern mit einer ALL auf eine Schädelbestrahlung zu verzichten und stattdessen eine systemisch verabreichte hochdosierte Methotrexattherapie zu verwenden. Da aber auch für Methotrexat in Abwesentheit einer Schädelbestrahlung eine Neurotoxizität beschrieben wurde, starteten wir am 01.10.1997 eine prospektive Studie, in der eine nur mit Methotrexat behandelte Patientengruppe auf Schäden am ZNS während und nach Behandlung einer ALL untersucht wird.

Mit Hilfe eines spezifischen Untersuchungsprogramms wurden verschiedene zentrale Teilbereiche prospektiv zu fünf verschiedenen Zeitpunkten bis zu fünf Jahre nach Therapieende untersucht. Inzidenz, Art und Ausmaß von ZNS-Spätschäden wurden somit systematisch erfaßt.

Diese Kinder und Jugendliche wurden in 24 verschiedenen Kinderkrebszentren in Deutschland und Österreich behandelt. Die Patientenaufnahme in die Studie wurde im März 2000 beendet.

Mit dieser Untersuchung war es zum ersten Mal im deutschen Sprachraum möglich, bei einer großen Probandenzahl neurokognitive, neuroradiologische, neurophysiologische und neuropsychologische Veränderungen bei ALL-Patienten im Verlauf der Erkrankung von Therapiebeginn an über einen Zeitraum von bis zu acht Jahren zu untersuchen.

Das Kernstück des Untersuchungsprogramms lag in der Neuropsychologie. Dazu wurden präzise Untersuchungsmethoden in das Untersuchungsprogramm aufgenommen, um Störungen vor allem in den Teilleistungsbereichen Aufmerksamkeit/Konzentrationsfähigkeit, Merkfähigkeit und kognitive Verarbeitungsgeschwindigkeit zu erfassen. Zudem wird die gesundheitsbezogene Lebensqualität während und nach der Behandlung beurteilt.

Die Ergebnisse zeigen, dass besonders jüngere Kinder und Mädchen während der Intensivphase der Therapie mit leichten neurokognitiven Einbußen rechnen müssen. Ferner zeigen sich nach der Reinduktionstherapie psychosoziale Anpassungsstörungen, wie aggressives Verhalten und Angst.

In Zukunft können die Probandengruppen der retrospektiven und prospektiven Studien nachuntersucht werden, um den Langzeitverlauf auch bei der sozialen Integration zu bewerten zu können.

Insgesamt wurden 593 mit Ifosfamid behandelte Patienten analysiert. Das mediane Alter bei Diagnose betrug 11.7 Jahre, die mediane Nachbeobachtungszeit 19 Monate.

Für diese Analyse wurden die Patienten je nach Ifosfamid-Dosis in drei Gruppen eingeteilt: ≤24 g/m² KOF (229 Patienten), 25-60 g/m² KOF (214 Patienten) und >60 g/m² KOF (150 Patienten). Zusätzlich wurden 63 Patienten mit eine medianen kumulativen Dosis von 45 Gy abdominell bestrahlt.

Insgesamt entwickelten 4,2% (n=27) Patienten eine Tubulopathie, 4,0% (n=24) der Patienten benötigten eine Supplementationstherapie mit Phosphat und/oder Bikarbonat.

Das Risiko einer Tubulopathie nahm mit steigender kumulativer Ifosfamiddosis zu. Außerdem stellte sich ein Alter unter 4 Jahren als Risikofaktor dar.

Ifosfamid-induzierte Nephrotoxizität bei ehemaligen Krebspatienten und deren Einfluss auf das Wachstum – Ergebnisse einer retrospektiven Studie

Die Nephrotoxizität von Ifosfamid kann zu einer schweren Tubulopathie bis zum Vollbild eines Fanconi-Syndroms führen. Die eventuell auftretende hypophosphatämische Rachitis und/oder tubuläre Azidose können das Wachstum beeinflussen.

Diese auch von der Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Nephrologie (APN) unterstützte retrospektive Studie wurde in zwei Schritten durchgeführt. Im ersten Schritt wurde bei allen mit LESS kooperierenden Einrichtungen der pädiatrischen Onkologie nach Patienten mit schwerer Nephrotoxität als Spätfolge der antineoplastischen Therapie gefragt. Zusätzlich wurde diese Anfrage auch an alle pädiatrische Nephrologen im Mitgliedsregister der APN gerichtet.

Im zweiten Schritt wurden die relevanten Daten der im ersten Schritt identifizierten Patienten gesammelt und analysiert. Es konnten insgesamt 59 Patienten analysiert werden, von denen 35 von einer schweren Tubulopathie betroffen waren. Dabei handelte es sich um 28 Weichteilsarkom-, 11 Ewingsarkom-, 10 Neuroblastom-, 5 Nephroblastom-, 3 Osteosarkom- und 2 Keimzelltumorpatienten. Von diesen waren 28 männlich und 31 weiblich. Das mediane Alter bei Diagnose war 3.7 Jahre und das mediane Follow-up betrug 4 Jahre. Die mediane kumulative Ifosfamid-Dosis war 51 g/m² KOF.

Insgesamt 54 (92%) der Patienten benötigten eine Supplementation mit Phosphat zu irgendeinem Zeitpunkt der Nachsorge, 23 Patienten mit Bikarbonat, 13 Patienten mit Kalium und 22 Patienten mit Vitamin D.

Das Wachstum wurde mittels Bildung von Standard Deviation Scores (SDS) analysiert. Der Mediane Körpergrößen-SDS aus den Ergebnissen der jeweils letzen Nachsorgeuntersuchung war -2.1 und im Vergleich zu einer Kontrollgruppe aus Kinderkrebspatienten ohne Nephrotoxizität waren die Patienten mit Tubulopathie um im Mittel 7.3 cm kleiner als die entsprechen Kontrollpatienten.

Schlussfolgerung für die Nachsorge

Unsere Ergebnisse zeigen eindeutig ein höheres Risiko einer Ifosfamid-induzierten Tubulopathie für jüngere Kinder. Diese Frage war bisher in der Literatur umstritten.

Ebenfalls zeigen die Ergebnisse, dass mit zunehmender kumulativer Ifosfamid-Dosis das Risiko für eine Tubulopathie steigt. Dieses Ergebnis der LESS-Untersuchungen sollte bei der Konzeption zukünftiger Therapieoptimierungsstudien berücksichtigt werden.

Ferner kann das Wachstum, je nach Schweregrad einer Ifosfamid-bedingten Nierenschädigung, erheblich beeinflusst werden. Um zu sehen, ob eine entsprechende Supplementation als Intervention den Effekt auf das Wachstum reduzieren oder sogar verhindern kann, sind weitere Studien auf diesem Gebiet sowie die Erarbeitung eines Substitutionsprogramms notwendig.